Im Rahmen ihrer Strategie zur Schaffung von Arbeitsplätzen und Wachstum hat die Europäische Kommission eine Initiative ins Leben gerufen, mit der sie die Anerkennung der außerhalb von Schule und Hochschule erworbenen Fähigkeiten und Kompetenzen fördern will. Mit ihrem Vorschlag verfolgt die Kommission das Ziel, die Arbeitsmarktchancen insbesondere von jungen Arbeitslosen und Personen mit wenigen formalen Qualifikationen zu erhöhen, die etwa älteren und gering qualifizierten Arbeitskräften oft fehlen. Ferner will sie den Zugang zur Hochschulbildung vor allem für Studierende im reiferen Alter erleichtern.
Mit dieser Empfehlung drängt die Kommission die Mitgliedstaaten zur Einführung nationaler Systeme zur Validierung der Ergebnisse nichtformalen und informellen Lernens bis zum Jahr 2015. Gibt es solche Systeme, so können Bürgerinnen und Bürger eine vollständige oder teilweise Qualifikation auf der Grundlage von Fähigkeiten und Kompetenzen erlangen, die sie außerhalb des Systems der formalen Bildung erworben haben. Umfassende Systeme für die Validierung der Ergebnisse nichtformalen und informellen Lernens gibt es derzeit nur in Finnland, Frankreich, Luxemburg und den Niederlanden.
Der Vorschlag der Kommission geht zurück auf die Initiativen „Eine Agenda für neue Kompetenzen und Beschäftigungsmöglichkeiten“ und „Jugend in Bewegung“, die Bestandteil der Strategie Europa 2020 sind. Er ergänzt den Europäischen Qualifikationsrahmen, mit dem die Validierung formaler Bildungsabschlüsse vorangetrieben wird. (Quelle: Pressemitteilung der Europäischen Kommission vom 5.9.2012)
Die Empfehlungen der EU-Kommission wurden vom Rat für Bildung, Jugend, Kultur und Sport in seiner Sitzung im November 2012 verabschiedet. In Deutschland findet deren Umsetzung im Deutschen Qualifikationsrahmen für lebenslanges Lernen (DQR) statt.
Welche Kriterien für die Anerkennung fachlicher (und persönlicher) Eignung und Fähigkeiten herangezogen werden können, ist auch in der Kinder- und Jugendhilfe eine spannende Frage. Das Fachkräftegebot des SGB VIII verlangt, dass nur fachlich und persönlich geeignete Personen beschäftigt werden. Die Begriffe Fachkraft und persönliche Eignung werden jedoch – zu Recht- nicht genauer definiert. Deren Ausgestaltung bzw. Beschreibung, sowie die qualitativ und quantitave ausreichende Ausstattung mit Fachkräften, bleibt den öffentlichen Trägern im Rahmen ihrer Gesamtverantwortung für die Kinder- und Jugendhilfe überlassen (§§ 72, 79 SGB VIII). In der Praxis ist die Definition geeigneter Fachlichkeit, idealerweise handlungsfeldabhängig, prozesshaft und Gegenstand gemeinsamer Vereinbarungen öffentlicher und freier Träger (bspw. im Rahmen der §§ 45, 79a SGB VIII).
Neben der grundsätzlichen Herausforderung nachvollziehbare und geeignete Kriterien fachlicher und persönlicher Eignung zu finden, besteht ein besonderer Handlungsbedarf aufgrund des Mangels an (guten) Fachkräften in der Kinder- und Jugendhilfe. Der in der Praxis beobachtbare Fokus auf einzelne Ausbildungen mit konventionellen bzw. formellen Bildungsabschlüssen verstärkt die Problematik zusätzlich. In diesem Sinne kann der DQR dazu beitragen, dass transparente Regelungen für die Anerkennung außerhalb des formellen Bildungssystems erworbener Fähigkeiten gefunden werden können. Dabei jedoch, als andere Seite der Medaille, die Anforderungen an die Fachlichkeit nicht gemindert werden.
Eine weiterführende und differenzierte Betrachtung der Herausforderungen des DQR für die Kinder- und Jugendhilfe, kann in der Stellungnahme der Arbeitsgemeinschaft für Kinder- und Jugendhilfe – AGJ nachgelesen werden.